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Beiträge aus dem Was-mit-Medien-Alltag

Das war „beyond tellerrand“ 2014

Warum besucht man eine Konferenz? Natürlich, um Neues zu hören – aber auch, um Bestätigung zu bekommen für Themen, Techniken, Ideen, mit denen man schon arbeitet. Die dieses Jahr erstmalig in Berlin veranstaltete Konferenz war in beiden Hinsichten eine gute Wahl.

beyond tellerrand 2015 - gleich geht’s los!
beyond tellerrand 2015 - gleich geht’s los! • Foto: Martin Kohlhaas

Das Spektrum der Vorträge war recht breit: Inspiration, Technik, Unterhaltung. Es gab keine parallelen Sessions – das vermied den Stress, sich für einen Vortrag und damit gegen andere entscheiden zu müssen. Die Teilnehmerzahl war angenehm überschaubar und nicht zuletzt war das Verhältnis von Vorträgen und Pausen sehr gut.

Alle Vorträge wird es demnächst im Videokanal bei Vimeo geben.

Doch nun mein kleiner Rückblick auf alle Vorträge:

Getting artistic with code
Seb Lee-Delisle

Die Spielfreude aus frühen C64-Basic-Programmier-Anfängen hat sich seb.ly beibehalten. Er berichtete über diverse interaktive Digital-Kunst-Spiel-Musik-Projekte, die alle vom Einsatz vieler „Lazers“ geprägt waren. Link zum Mitnehmen: http://creativejs.com

Putting the Fonts into Webfonts
Jonathan Hoefler

Viel Schriftgeschichte – nicht so viel Webfonts. Der Einführungsteil war mir persönlich etwas zu ausführlich. Konkrete Webfont-Aspekte hätte ich spannender gefunden. Es war schon eine Menge Eigenwerbung dabei, letztendlich ging es um die Vorstellung der neuesten Features von cloud.typography

CSS Lessons Learned the Hard Way
Zoe Mickley Gillenwater

An ein paar Beispielen für falsch aus Tutorials kopierten CSS-Fragmente berichtete Zoe über die Vorteile des Fehlermachens. Eines ihrer aktuellen Spezialgebiete sind flexboxes, die einen Teil der Beispiele ausmachten.

Das eigentlich Spannende an dem Vortrag war zu sehen, dass hinter Websites wie booking.com auch nur normale Menschen gestalten und entwickeln, die mit den ganz alltäglichen Problemen zu kämpfen haben. Daneben wurde mir klar, dass größere Websites zwangsläufig viel fehlertoleranter sein müssen, was Styling, Einheitlichkeit auf unterschiedlichen Browsern usw. angeht. Ein Grund dafür ist unter anderem die notwendige Mehrsprachigkeit, die mit unterschiedlichsten Wortlängen für gleiche Sachen (Buttons) pixelgenaue Layoutvorgaben ausschließt. Gute Argumente, wenn der nächste Verein mal wieder irgendwas „um 2mm verschoben“ haben möchte. 

Connected Spaces to Make Connected Experiences
Stacey Mulcahy

Hier habe ich nicht so viel mitgenommen.

The Space Between
Tim Kadlec

Wartezeiten für den Nutzer werden in der Gestaltung oft ignoriert und einfach mit Ladebalken gefüllt. Dass es spannendere und im Sinne des Nutzungserlebnisses sinnvollere Möglichkeiten gibt, zeigte Tim sehr kurzweilig und unterhaltsam. Sein Tipp: UX-Designer sollten sich mehr mit motion design beschäftigen. Material Design wurde auch zitiert als ein Beispiel, wie der Fokus im Moment stärker auf Abläufe und Übergänge gelegt wird. Der Vortrag bot aber noch viel mehr – definitiv ein Kandidat für eine Zweitbetrachtung im Video.

Counting stars: Creativity over predictability
Andrew Clarke

Dieser Vortrag brauchte etwas, bis er zündete. Es ging um Werbung, viel britische Werbung, vor allem Tee. Und dann ging es aber doch noch ums Web. Die Grundthematik nach meiner Lesart: Gute, erinnerbare Werbung funktioniert aufgrund ihrer Unkonventionalität, ihrer einzigartigen Idee. Die meisten Leute können sich an außergewöhnliche Claims und Spots auch nach Jahren noch erinnern und verbinden diese mit den Marken. Wer erinnert sich aber noch an eine besonders außergewöhnliche Website? Andrew kritisierte die Gleichmacherei, den Einheitsbrei, der nicht zuletzt durch „Designsysteme“ (Verweis auf Brad Frost Atomic Design) entsteht. Frameworks machen Ideen kaputt. Wir müssen mehr auf eigene Ideen vertrauen und nicht alles durch Statistik, Marktforschung, A/B-Testing glattbügeln und massenkompatibel machen.

Letter to a Junior Designer von Zenit Bowles und die Antwort A Different Letter to a Junior Designer von Andrew Clarke

Design and Happiness
Stefan Sagmeister

Das war die Art von Vortrag, für die man zu einer Konferenz hinfährt. Die meisten der bisher genannten und folgenden Vorträge lassen sich verlustfrei auch auf Vimeo anschauen und man holt sich seine Dosis Inspiration ab. Aber gemeinsam im Saal die „Ode an die Freude“ als englischsprachigen Rant auf die Klienten zu singen, wird man vor dem heimischen Monitor nicht in dieser Art erleben können. Pech für alle, die nicht da waren :)

Kurze Pause – Das war Tag Eins. Viel Input, aber sehr entspannt.

The Icon Design Process
Jon Hicks

Ein sehr praktischer Vortrag mit vielen Links zum späteren Recherchieren und Ausprobieren. Für den Moment als Link „The Noun Project“. Hier kann man nach Begriffen suchen und schauen, welche verschiedenen Icons es dazu gibt. Das gibt einem auch gleich ein Gefühl dafür, wie breit die Interpretationsspanne ist und zeigt, dass auch scheinbar eindeutige Bilder missverstanden werden können. Ansonsten wurde Sketch als Software zum Zeichnen von Icons und SVG-Export empfohlen. Auf die verschiedenen Varianten, Icons in Websites zu bekommen (Sprites, vs. Webfont, vs. native SVG) wird vielleicht später nochmal ausführlicher hier im Blog einzugehen sein.

Real-time Communication – for Everyone!
Lisa Larson-Kelley

WebRTC – sicher ein sehr spannendes Thema – leider nicht so spannend rübergebracht. Vielleicht das hier zum Weiterlesen: www.html5rocks.com/en/tutorials/webrtc/basics/

Security is Everyone's Responsibility
James Hall

Kann man die Funktion von SSL durch Lesen von Wikipedia-/ Technik-Artikeln verstehen? Mir ist das bisher nicht erfolgreich gelungen. Die Live-Demo mit echten Menschen, Briefumschlägen und Post-It’s gab es in Berlin. Sicherlich war technisch nicht alles hundertprozent korrekt aber ich bekam eine gute Idee von der Sache. Diverse Unsicherheiten im WLAN wurden präsentiert (hatte ich schon erwähnt, dass es auf der Konferenz kein WLAN gab?) und es gab drei konkrete Anregungen für die Verbesserung der Sicherheit der Daten der Websitebesucher in eigenen Projekten:

Wer schauen möchte, was in seinem WLAN so umherschwirrt, kann das mit Debookee (Mac) tun.

Connecting The Digital To Analog
Brian Suda

In Sachen Inspiration mein Favoriten-Vortrag. Großes Projektpotential! Statt einer Zusammenfassung hier nur ein paar Links.

The Web's future is offline
John Allsopp

Kann man echt so schnell sprechen? Die Zuhörer wurden durch die Möglichkeiten localstorage, sessionstorage und appcache gehetzt. Das war anstrengend, aber setzte bei mir definitiv ein paar Marker für Tests, Spielereien und Demos in der nächsten Zeit. Ich wünsche dem Mann ein langes, herzinfarktfreies Leben!

Information, Architecture, and Containers
Oliver Reichenstein

Und dann waren wir schon am Ende. Der letzte Vortrag brachte wieder Ruhe ins Auditorium. Oliver Reichenstein nutzte als erster und einziger Vortragender die Sessel auf der Bühne und begann als „Märchenonkel“ mit Geschichten aus seinem Berufsstart. Kernpunkt des Vortrags war jedoch die Vorstellung des Container Models als Ansatz für eine offene Informationsarchitektur, die nicht an festen Baumstrukturen klebt. Ich kannte den Blog-Artikel aus dem Guardian-Projekt schon und hatte mich mit dem Thema beschäftigt, fand das also im Konkreten nicht mehr so spektakulär und konnte daher die Gedanken etwas schweifen lassen. Für mich die Mitnahme-Botschaft: Was Dir auch die „Experten“ sagen, es geht immer auch anders. So stimmig irgendeine Theorie auch scheinen mag, sie gilt doch meist nur in ihrer Zeit und wird irgendwann wieder abgelöst.

Was gibt es als Fazit zu sagen? Eine Konferenz braucht kein WLAN. Ein DJ für die Pausen ist aber definitv eine gute Idee. Tobi Lessnow hat einen riesen Job gemacht! Die beiden Tage in Berlin waren gut investiert. Bei einer Fortsetzung wäre ich gerne wieder mit dabei.

comment Kommentare

Birgit am 07.11.2014, 16:13:

Zwei Dinge muss ich noch ergänzen.

Als roter Faden zog sich folgende Botschaft durch eigentlich alle Vorträge: Nimm Dir Zeit für Deine eigenen Projekte und – ganz wichtig – bring sie zu Ende!

Wenn ich richtig mitgezählt habe, war kein/e einzige/r Redner/in aus Deutschland dabei. Was sagt uns das?

marc am 10.11.2014, 13:33:

Hey Martin,

vielen Dank für deinen Artikel. Und super, dass es dir gefallen hat. Das freut mich sehr und motiviert weiter zu machen.

Besten Gruß!

/marc

Martin am 10.11.2014, 13:45:

Danke Marc, auch wenn die Vorträge auf den verschiedenen Konferenzen auswechselbar sein mögen (siehe O.Reichenstein @webfontday 2014) – die Atmosphäre in Berlin war es nicht. Tolle Location und sehr nette Leute Bis 2015!

Marc H. am 10.11.2014, 13:48:

Schöne Zusammenfassung, allerdings möchte ich dem Punkt "Designsysteme" und PatternLabs bei der Beschreibung vom Vortrag von Andrew Clarke widersprechen. PatternLabs ist ja gerade kein "Design"-System, sondern ein design-agnostisches Tool, das Dir eben genau gar nichts vorgibt und das Dich ermutigt, Deine Designs individuell, modular und wiederverwendbar aufzubauen. Was Du vermutlich eher meintest (und auch Andrew) sind Frameworks wie Bootstrap oder Foundation, die sich auch in die Designs einmischen (können) und deren Verwendung man oft schon ohne einen Blick in den Quelltext erkennt.

Grüße
Marc

Martin am 10.11.2014, 14:34:

@Marc H. Das ist schon wahr. Sicherlich ist es etwas Anderes, ein Bootstrap-Gerüst zu dekorieren als ein freies Layout aus modularen Bestandteilen zusammenzusetzen. Doch Begriffe und Frameworks hin oder her, ich denke Andrew Clarke zielte darauf ab, eine Idee in den Mittelpunkt zu stellen. Auch das freieste System bleibt eben ein System, welches dafür gedacht ist, Prozesse zu vereinfachen, zu vereinheitlichen und effektiver zu machen. Im Tagesgeschäft hilft das, Projekte nach „Schema F“ effizient zu bearbeiten. Dass dabei langfristig erinnerbare Projekte entstehen, stellte Andrew Clarke – nach meinem Verständnis – in Frage.

Danke für Deinen Kommentar,
Martin

dan am 10.11.2014, 15:38:

Schöne Zusammenfassung! Danke!

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